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Erntedank der Agrarindustrie

Bauernverband und Kirchen beschönigen agrarindustrielle Nutztierhaltung

 

Auf Verständnislosigkeit und Enttäuschung stößt die diesjährige „Erntedankerklärung“ zur Nutztierhaltung von Bauernverband, Landfrauenverband, Evangelischer und Katholischer Kirche. Darin werden undifferenziert die angeblich „höchsten Tierschutzstandards“ in Deutschland gelobt, jeglicher Stallbau und „technische Fortschritte“ als Beitrag zum Tierschutz bewertet. Dies gelte auch für die „Kleingruppen in der Legehennenhaltung“, womit die Haltung in Großkäfigen umschrieben wird. Die Tierschutz-Bewegung wird in der Erklärung als emotionale Diskussion einer nutztierfernen und haustierorientierten Gesellschaft interpretiert, die Kritik an der Industrialisierung der Nutztierhaltung mit der schlichten Behauptung abgetan, das Wohl des Einzeltieres sei nicht abhängig von der Anzahl der Tiere. Der Begriff „Massentierhaltung“ wird abgelehnt, während man offenbar an der Bezeichnung „moderne Tierhaltung“ durch die Agrarindustrie-Lobby nichts auszusetzen hat. Die „Diskussion über Fortschritte in der Nutztierhaltung“ wird in einem Atemzug genannt und in einen Topf geworfen mit „persönlichen Diffanierungen und Drohungen gegenüber tierhaltenden Landwirten“ oder gar Brandanschlägen“.

 

Derlei Rückschritte in der kirchlichen Positionierung werden geschickt kaschiert dadurch, dass in vielen Sätzen wirkliche Fortschritte in bestimmten Bereichen (Boxenlaufstall in der Milchviehhaltung) undifferenziert übertragen werden auf angebliche Verbesserungen auch in Agrarfabriken. Die Betroffenheit gerade kleinerer Schweinebetriebe durch die Umstellung auf Gruppenhaltung und die Notwendigkeit einer übernationaler Standards werden zwar genannt, ohne aber die Ursachen der ruinösen Marktverhältnisse oder gar realistische Strategien eines Umbauprogramms zugunsten einer artgerechten Tierhaltung in bäuerlichen Strukturen zu thematisieren. Der Lebensmittelhandel bleibt beliebter Watschenmann, um von der Verantwortung von Investoren und Schlachtkonzernen anzulenken. Trotz Appellen zu Dialog, „Augenmaß“ und Mitgeschöpflichkeit fällt diese Erklärung somit weit hinter bisherige Positionierungen der Kirchen zurück und verharrt damit hauptsächlich bei einer Schönfärbung einer agrarindustriellen Entwicklung, die zu Lasten von Tieren, Bauernhöfen, Umwelt und armen Ländern geht.

In einem Positionspapier hatte sich die Synode der Evangelischen Hannoverschen Landeskirche 2011 demgegenüber für „höchste Standards“ in der Tierhaltung ausgesprochen, die Tierhaltung und Lebensmittelproduktion in zu großen Einheiten bzw. industriellen Formen kritisiert und ein Leitbild gefordert, das landwirtschaftliche Unternehmen von agroindustriellen „Tier-)Fabriken unterscheidet: “An den genannten Maßstäben und Standards gemessen, muss bezweifelt werden, dass man in Großeinheiten und Großschlachtanlagen, wie sie heute bestehen oder geplant werden, dem Tierwohl und den sozialen und umweltethischen Anforderungen gerecht werden kann. Darum sollten die bestehenden Anlagen gründlich überprüft und neue Anlagen nur dann genehmigt werden, wenn sie den genannten Maßstäben und Standards uneingeschränkt Rechnung tragen. Zu vermeiden ist ein nationale und internationale (Land)wirtschaftspolitik, die zwangsläufig von industrieller Technologie und Philosophie bestimmte Großhaltungen zur Folge hat. Technologie muss generell wieder „dienende“ Funktion übernehmen. Es ist ein Wandel notwendig, der zielgerichtet und unverzüglich zu Formen der Tierhaltung und Tiernutzung im Sinne von Tierwohl, Menschengesundheit und Nachhaltigkeit führt.“  –en