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Inszenierung von Landwirtschaft

‚Erlebnisbauernhof’ auf dem Bonner Münsterplatz
Bauern, Umweltschützer und Regionalvermarkter kritisieren ‚Inszenierung’

„Wir begrüßen sehr einen Dialog zwischen Bauern und Verbrauchern, der ‚Erlebnisbauernhof’ auf dem Bonner Münsterplatz folgt aber in großen Teilen einer ganz anderen Intention: Er ist Teil einer Imagekampagne der Agrarindustrie, mit der sie für ihre Vorstellung von der Erzeugung von Nahrungsmitteln wirbt. Mit den Realitäten in der Intensivlandwirtschaft, für die insbesondere der Mitorganisator ‚Forum Moderne Landwirtschaft‘ steht, haben die dortigen Präsentationen nur wenig gemein“, so die gemeinsame Einschätzung von Bauern, Umweltschützern und Regionalvermarktern zu der am Donnerstag den 6.10.2016 beginnenden 3-tägigen Veranstaltung. Mit schönen Bildern und kuschelig anmutenden Tieren wird Menschen, die ansonsten wenig Berührung zur Landwirtschaft haben, ein positives Bild der Tier- und Pflanzenproduktion vorgegaukelt und dabei die ‚hässlichen Seiten’ einer zunehmend industriellen Landwirtschaft und Tierhaltung ausgeblendet.

„In Aufsichtsrat und anderen Gremien des maßgeblich mitveranstaltenden ‚‚Forums Moderne Landwirtschaft‘ sind mit Bayer CropScience, BASF und Syngenta die internationalen Größen der Gentechnikindustrie vertreten, die zugleich Hauptproduzenten von Pestiziden und anderen Agrochemikalien sind“, so Ralf Bilke, Agrarreferent des BUND NRW. Hinzu gesellten sich die Zentralverbände der Deutschen Schweineproduktion und Geflügelwirtschaft und der Schlachtkonzern Vion, die die Interessen der Intensivtierhalter vertreten, gegen die sich landauf landab BürgerInnen zusammenschließen. Das „illustre Interessenkonglomerat“ zeige, was die Veranstalter unter ‚moderner‘ Landwirtschaft verstünden, ohne es den Verbrauchern auch so klar zu sagen.

„Unsere Kritik richtet sich nicht gegen die auf dem Münsterplatz anwesenden regionalen Obst- und Gemüsebauern oder Tierhalter, sondern vielmehr gegen die Art der Inszenierung der Veranstaltung“ so Bernd Schmitz, NRW-Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und Bauer im Rhein-Sieg-Kreis. Die unterstützenden Industrieunternehmen stehen für eine Ressourcen verschwendende Landwirtschaft, für Dumpingpreise und für eine Tierhaltung, dessen wahres Gesicht auf dem Bonner Münsterplatz niemals gezeigt wird, da sich die Verbraucher abwenden würden. „Kühe auf der Weide und Schweine mit Ringelschwanz stehen nie im Focus, wenn es um Produktion für den Weltmarkt geht, wie die großen Genossenschaften ihn gerne bedienen“ so Schmitz weiter. Leider hat der Bauernverband scheinbar kein Problem mit TTIP und Ceta, auch wenn nach vielen Prognosen die Bauern, die auf dem Münsterplatz das Bild prägen, die Verlierer dieser Freihandelsabkommen sein werden.

Alternativen hierzu denken und „gemeinsam mit Verbrauchern, Erzeugern, Händler, Verarbeitern und Gastronomen eine neue Lösung suchen - regional, ökologisch und fair“, ist für Sven Johannsen vom Vorstand der Regionalwert AG Rheinland wichtig. Es gelte, „die Vielfalt vom Acker bis zum Teller“ nach vorne zu bringen.

Jutta Sundermann von Aktion Agrar ergänzt: „In dem Forum arbeiten seit Jahren die Gentechnikkonzerne einträchtig zusammen. Vor diesem Hintergrund wirkt der Slogan des Forums „unser aller Wissen“ regelrecht zynisch. Es sind genau diese Konzerne, die Saatgut manipulieren und patentieren oder über von ihnen mit vorangebrachte Gesetze Bauern daran hindern, aus der eigenen Ernte Saatgut zu gewinnen. Zum Glück engagieren sich immer mehr Menschen gegen die große Macht der Agrar-Riesen und gegen deren jüngste Pläne, durch Fusionen noch mächtiger zu werden.“

Mit ihrem öffentlichen Widerspruch möchten die Beteiligten einen Anstoß zu einer kritischen Diskussion über die Umstände der Lebensmittelerzeugung und die Agrarlobby in Deutschland geben.