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Aktionspapier Massentierhaltung September 2012

2. Runder Tisch 'Massentierhaltung', Aktionspapier, Düsseldorf, 7.9.2012

Wo stehen wir?

Die Tierdichte in der Region Münsterland hat längst verträgliche Grenzen überschritten. Die Kapazitäten sind ausgereizt. Der Vorsorgegrundsatz, der auch bei Genehmigungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz gilt, ist längst über Bord geworfen. Auch Umweltverträglichkeitsprüfungen verkommen zu reinen Machbarkeitsanalysen.

Bürgerrechte werden vorenthalten. Die Beteiligung der Einwohner wurde zurechtgestutzt auf einen rein bürokratischen Akt, in der der Bürger als hinderlich wahrgenommen wird. Schikanen wie Kopierverbote, Einsicht der Dokumente in Dienstzimmern oder Kostenumlage für Kopieraufwände sind an der Tagesordnung.

Intransparenz ist Grundlage für ein ungestörtes Agieren von Antragstellern und Genehmigungsbehörden. Das wahre Ausmaß der landwirtschaftlichen Industrialisierung ist für den einzelnen Bürger nicht nachvollziehbar. Politiker, Behörden und Ministerien verweigern sich, vollumfänglich und zeitgemäß über Genehmigungsverfahren in der Agrarindustrie zu informieren.

Genehmigungsverfahren werden nicht nach aktuellem Forschungsstand durchgeführt. Konkrete Studien zur Gefährdung von Mensch und Umwelt durch Antibiotika, multiresistente Keime und Bioaerosole fließen in die Genehmigungsverfahren nicht ein. Mit dem Hinweis auf fehlende Grenzwerte und wissenschaftliche Zweifel werden die Gefahrenpunkte vom Tisch gewischt.

Politiker und Bürokratie untergraben Regelungsfunktion von Genehmigungsverfahren. Die Hoffnung, ausgewiesene Landschaftsschutzgebiete könnten vor einer gewerblichen Verdichtung von Massentierhaltungsanlagen in der Region schützen, ist längst verflogen. Über Befreiungen kommt jeder Investor zum Ziel, wobei der Landschaftsbeirat als für die Genehmigung maßgebendes Gremium missbraucht wird.

Politik ist unfähig, einen neuen Ordnungsrahmen zu schaffen. Auch die anstehende Novellierung des Bundesbaugesetz wird an dem Bauboom nichts ändern. Längst tüfteln die agrarindustriellen Interessenverbände an Möglichkeiten, wie die anstehende Gesetzesänderung unterlaufen werden kann.
 

Was wollen wir erreichen?

Wir müssen leider feststellen, dass auch die rot-grüne Landesregierung nicht in der Lage sein wird, der industriellen Revolution in der Landwirtschaft einen nachhaltigen Regelungsrahmen einzuziehen. Gleichzeitig ist die Dynamik des agrarindustriellen Wandels von einer derartigen zerstörerischen Durchschlagskraft, dass kleine, rasch umzusetzende Maßnahmen sofort angegangen werden müssen.

Wir schlagen daher vor, dass sich der Widerstand gegen die Agrarindustrie auf zwei wesentliche Säulen stützen sollte:

Sofortmaßnahmen:

- Das Umweltministerium weist seine zuständigen Behörden an, alle Genehmigungen bzgl. privilegiertem Bauen vollständig und zentral im Internet zu veröffentlichen. Ein uneingeschränkter und kostenloser Zugriff auf diese Daten ist sicherzustellen.

- Das Umweltministerium weißt seine zuständigen Behörden an, die konkreten Tierzahlen zu erfassen und die entsprechenden Werte auf Landes-, Bezirks-, Kreis-. und Kommunenebene bereitzustellen. Diese Zahlen sind im Internet bereit zu stellen und mit den aktuellen Genehmigungsverfahren abzugleichen. Ein uneingeschränkter und kostenloser Zugriff auf diese Daten ist sicherzustellen.

Genehmigungsmoratorium:

Wir fordern die Landesregierung auf, ein Moratorium einzurichten, dass bis zur eindeutigen Sicherstellung der Unversehrtheit von Mensch und Umwelt, keine weiteren Anlagen gewerblich-industrieller Art mehr genehmigt werden. Während der Laufzeit des Moratoriums erarbeitet eine Expertengruppe aus Wissenschaftlern, Politikern, Landwirten, und Umweltschützern eine zeitgemäße Grundlage der Genehmigungsverfahren, welche sowohl dem Stand der wissenschaftlichen Forschung als auf gelebter gesellschaftlicher Standards entspricht. Wir sehen hier u.a. folgende Schwerpunkte für diese Arbeitsgruppe:

- Keimbelastung: Bei sämtlichen agrar-industriellen Anträgen oberhalb der Schwellenwerte der 4.BImSchV sind im Genehmigungsverfahren Keimgutachten erforderlich.

- Brandschutz: Einheitliche Regelungen für die Bewertung von Brandschutzgutachten sind zu erarbeiten, die eine Rettung von Menschen und Tieren im Brandfall tatsächlich ermöglichen. Betriebswirtschaftliche Belange dürfen kein Grund dafür sein, den Brandschutz zu vernachlässigen.

- Obergrenzen für hoch belastete Gebiete: Für Gebiete, die besonders stark von der industriellen Landwirtschaft betroffen sind, müssen Belastungsobergrenzen definiert werden, die eine Zerstörung der Umwelt und eine Gesundheitsgefährdung der Menschen tatsächlich verhindern. Für stark belastete Räume ist eine alternative Genehmigungspraxis zu erarbeiten Als ersten Ansatz wäre ein Grenzwert bei den Großvieheinheiten von 2 GVE/ha einzuziehen, ab dem ein restriktiveres Genehmigungswerk greifen würde.

Für das Aktionsbündnis 'Münsterland gegen Agrarfabriken'

Klaus Richter, Billerbeck
Jürgen Blümer, Drensteinfurt